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Sich in Stresssituationen mit dem Atem anfreunden
Einen Freund finden, auf den man sich verlassen kann

Die eigentliche Schule der Achtsamkeit und die eigentliche Meditationspraxis sind unzweifelhaft das Leben selbst. Jeder Augenblick bietet eine Gelegenheit, sich auf die sich vor uns entfaltenden Gegebenheiten neu auszurichten, wie herausfordernd oder banal sie auch sein mögen. Dadurch entscheiden wir, uns nicht in Interpretationen und Geschichten über das, was vor sich geht, zu verlieren. Mit einem Verbündeten an der Seite ist das leichter, als Sie vielleicht denken…

Es ist jedes Mal außerordentlich befreiend, wenn wir uns auch nur ein klein wenig in diese Richtung bewegen. Und jene Augenblicke, jene bewussten Momente der Umorientierung können sich zu einem anderen Leben aufaddieren, einem Leben mit mehr Achtsamkeit und ausgewogeneren Emotionen. Doch nicht nur das: sie können Ihre Zukunft auf eine Weise beeinflussen, die für Sie nicht nur förderlich, sondern auch transformierend ist! Denn wenn Sie auf diesen Augenblick achten, jetzt, voller Freundlichkeit und Gewahrsein, dann wird der nächste Augenblick anders sein, denn Sie haben mit Ihrer vernünftigen, vertrauensvollen und ausgeglichenen Haltung auf den vorhergehenden Augenblick geachtet.

 

Es ist hilfreich für uns, auf unserem Weg Verbündete zu haben

Sie erinnern uns an diese Möglichkeit, wenn wir uns verloren und erdrückt fühlen und wir vergessen haben, dass wir uns dafür entscheiden können, uns in dem gegenwärtigen Augenblick zu erden und uns einer größeren, weniger täuschenden und weniger reaktiven Perspektive zu öffnen. Viele, viele Verbündete stehen uns zur Seite, doch einer der verlässlichsten und am einfachsten abrufbar Verbündeten ist unser eigener Atem. Schließlich können Sie ohne ihn nicht aus dem Haus gehen. Die Einladung hier lautet, sich mit diesem Einatmen anzufreunden – und nun mit diesem Ausatmen, in jedem Augenblick, in dem wir uns verloren fühlen, erdrückt oder hinfortgetragen von der Angst vor der Zukunft oder der Unzufriedenheit über das, was wir gerade erleben.

 

Jeder Augenblick eignet sich dafür

Am besten ist es, nicht mit dem Üben zu warten, bis die totale Katastrophe reißend und tosend über Sie hereinbricht. Wie stellt man es in jenen Momenten an, sich mit seinem Atem anzufreunden, wenn die Dinge gerade nicht zum Verzweifeln sind? Was tut man in solchen Momenten? Es reicht bereits, Ihr Gewahrsein auf die Empfindungen in Ihrem Körper zu richten, die am deutlichsten mit diesem Ein- und Ausatmen verbunden sind, entweder im Bauch, in den Nasenlöchern oder an irgendeiner Stelle in Ihrem Körper, an der Sie Ihren Atem fühlen können. Selbst ein oder zwei Atemzüge, auf die man sich auf diese Weise voll und ganz konzentriert, können erdend und beruhigend wirken und eine ausgewogenere Perspektive wiederherstellen.

Versuchen Sie es, wenn Sie Ihre Kinder zu Bett bringen oder wenn Sie wegen eines Ereignisses aufgebracht sind oder vor dessen Eintreten Angst haben. Oder einfach nur, wenn Sie die Straße entlang laufen oder in einer Besprechung sitzen. Beobachten Sie was geschieht, wenn Sie Ihrem Atem vertrauen, Sie ihn voll und ganz fühlen und Sie „auf der Welle“ jedes sich entfaltenden Ein- und Ausatmens „reiten“.

Sie stellen vielleicht fest, dass Sie einen neuen Freund gefunden haben, einen, auf den Sie sich verlassen können, wenn der sprichwörtliche Sand in das Getriebe gerät – insbesondere dann, wenn Sie diese Verbindung in Zeiten geringeren Stresses nähren und entwickeln. Und erstaunlicherweise: dieser Freund stellt sich als Sie selbst heraus, verborgen unter Ihrem Atem und dem Gewahrsein selbst. Warum nicht? Was haben Sie zu verlieren? Es kostet noch nicht einmal Zeit, einfach nur daran zu denken.

 

Der Artikel stammt von Jon Kabat-Zinn und wurde erstmals unter dem Titel „Befriending the Breath in Stressful Moments“ auf seiner Website Mindfulness Meditation Practice CDs and Tapes veröffentlicht.

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