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Wie wir unsere guten Eigenschaften wertschätzen können
Ein essentieller Aspekt von Selbstmitgefühl

Für die meisten von uns ist es einfacher, darüber nachzudenken, was an uns falsch ist, als darüber, was richtig und gut ist. Woran erinnern Sie sich stärker, wenn Sie bei der Arbeit eine Beurteilung bekommen? Hören Sie eher das Lob oder die Kritik? Oft fixieren wir uns auf kritische Äußerungen, auch wenn es unbedeutende Bemerkungen sind. Aber wenn wir ein Kompliment bekommen, dann prallt es wieder direkt von uns ab. 

Wir sind schon merkwürdig: Wir möchten besser sein als der Durchschnitt, aber an der Spitze ist es auch sehr einsam. Das Fokussieren auf unsere Schwächen und Fehler ist etwas, das wir sehr gut kennen, eine Haltung, mit der wir uns arrangiert haben. Oft haben wir auch Angst davor, arrogant zu werden. Wir wollen vermeiden, dass ein Fokus auf das Lob, auf unsere Stärken und guten Seiten uns überheblich macht. Hinzu kommt, dass wir tiefer fallen können, wenn wir uns selbst in einigen Bereichen als besonders gut erleben. Wie können wir in einer gesunden Weise mit uns selbst zufrieden sein, ohne ständig in die Falle zu tappen, ein hohes Selbstwertgefühl anzustreben oder gar eine narzisstische Haltung zu entwickeln? 

 

Drei Aspekte des Selbstmitgefühls

Meine Empfehlung dazu ist, dass wir unsere guten Eigenschaften mit liebender Güte wertschätzen sollten. Wenn wir etwas genauer darüber nachdenken, sehen wir, dass zu viel Demut keine fürsorgliche Haltung ist. Würden Sie einem Freund nie ein Kompliment machen und ihn niemals loben? Würden Sie ihm niemals sagen, was Sie an ihm mögen und schätzen? Doch natürlich, denn sonst würden Sie ihn nicht wirklich beachten und wertschätzen. Aber oft beachten wir uns selbst nicht und geben uns selbst keine Wertschätzung. 

Meiner Ansicht nach hat das Selbstmitgefühl drei Aspekte: Güte, unser gemeinsames Menschsein und Achtsamkeit. Diese Aspekte können wir auf unsere Stärken und Schwächen anwenden. Wir müssen uns zunächst durch Achtsamkeit unserer Stärken bewusst werden, wir müssen sie bemerken und sollten sie nicht als selbstverständlich sehen. Um mitfühlend mit uns selbst umzugehen, müssen wir uns erlauben, Wertschätzung und Dankbarkeit für unsere guten Seiten zum Ausdruck zu bringen. Das Entscheidende dabei ist, dass wir dies im Kontext unseres gemeinsamen Menschseins tun. 

 

Unsere eigene Schönheit als Teil unserer Menschlichkeit 

Es ist keine arrogante Haltung, wir erinnern uns nur daran, dass jeder von uns Stärken und Schwächen hat. Dies ist ein Teil unserer Menschlichkeit. Wenn wir unsere eigene Schönheit wertschätzen, müssen wir uns nicht besser als andere fühlen, weil jeder Mensch wunderbare Eigenschaften hat. 

Die Autorin Marianne Williamson schreibt hierzu: 

„Unsere tiefste Angst ist nicht, ungenügend zu sein. Unsere tiefste Angst ist, dass wir über alle Maßen kraftvoll sind. Es ist unser Licht, nicht unsere Dunkelheit, was wir am meisten fürchten. Wir fragen uns, wer bin ich denn, um von mir zu glauben, dass ich brillant, großartig, begabt und einzigartig bin? Aber genau darum geht es, warum solltest du es nicht sein? Du bist ein Kind Gottes. 

Dich klein zu machen nützt der Welt nicht. Es zeugt nicht von Erleuchtung, sich zurückzunehmen, nur damit sich andere Menschen um dich herum nicht verunsichert fühlen. Wir alle sind aufgefordert, wie Kinder zu strahlen. Wir wurden geboren, um die Herrlichkeit Gottes, die in uns liegt, auf die Welt zu bringen. Sie ist nicht in einigen von uns, sie ist in jedem. Und indem wir unser eigenes Licht scheinen lassen, geben wir anderen Menschen unbewusst die Erlaubnis, das Gleiche zu tun. Wenn wir von unserer eigenen Angst befreit sind, befreit unser Dasein automatisch die anderen.“

 

Dieser Artikel stammt aus dem Buch Selbstmitgefühl - Schritt für Schritt von Kristin Neff.